Sonntag, 9. Februar 2025
Der Biber und die naturbasierte Entbürokratisierung
Brdy (Brdská vrchovina) ist eine Hügelkette in der tschechischen Region Mittel- und Westböhmen. (1) Sie erstreckt sich südwestlich von Prag bis fast nach Pilsen. Mit seiner abwechslungsreichen Landschaft gilt das Brdy-Hochland als Tourismusattraktion. Jedoch bleiben einige Gebiete des Brdy unzugänglich. Sie beherbergten von 1926 bis 2015 einen 260 Quadratkilometer umfassenden Truppenübungsplatz, unter anderem genutzt von der ersten tschechoslowakischen Armee, der deutschen Wehrmacht und der Sowjetunion nach der Niederschlagung des Prager Frühlings.
34.500 Hektar Landschaftsschutz
2015 beschloss die tschechische Regierung, das militärische Sperrgebiet zu räumen, zu öffnen und es in ein neues 345 Quadratkilometer großes Landschaftsschutzgebiet zu integrieren. Das Kataster umfasst 34 Gemeinden.
Etwa 86 Prozent der Brdy-Hügelkette sind mit Wald bedeckt. Darin wachsen geschützte Pflanzenarten wie zum Beispiel der Rundblättrige Sonnentau, das Scheiden-Wollgras und die Sibirische Schwertlilie. Auch seltene Tierarten wie der Steinkrebs und die Große Teichmuschel finden sich dort. (2) Ein 120 Kilometer langer Fernwanderweg verbindet die schönsten Orte des Brdy-Gebirges.
Die Verwaltung des regionalen Naturschutzamtes wollte Brdy ökologisch aufwerten und im Rahmen eines Revitalisierungsprojektes des Flusses Klabava an einem ehemals militärisch genutzten Entwässerungsgraben in der Nähe der Padrťské-Teiche durch den Bau eines Dammes ein Feuchtgebiet mit Tümpeln entstehen lassen, das dem seltenen Steinkrebs und zahlreichen Amphibien bessere Lebensbedingungen bieten sollte. (3) Das rund 1,2 Millionen Euro umfassende Projekt wurde seit 2019 geplant und durch politische Diskussionen und bürokratische Hürden zwischen Wasserschutz- und Militärbehörden immer wieder verzögert.
Knabbernde Landschaftsarchitekten
Mittlerweile ist der Damm fertig. Ein achtköpfiges Biberteam hat im Januar 2025 das Millionenprojekt „übernommen“ und es quasi über Nacht kostenlos beendet – ohne Projektakten, ohne Planungsbüro, ohne Verzögerungen und ohne Kostensteigerungen. Die tierischen Ingenieure haben dafür genau den Ort ausgewählt, den die Verwaltung ins Auge gefasst hat. Sie schufen dort ein Netz aus Dämmen, dessen Funktionen die Papierberechnungen der Ingenieure übertrafen…
Der Biber ernährt sich von Bast und jungen Zweigen, die größeren Zweige nutzt er zum Bau von Dämmen. „Er nimmt sie auf seine Brust und klettert aus dem Bach, wo er sie dann mit seinen Vorderpfoten feststampft“, beschreibt der Zoologe Jiří Vlček den Bau der Staudämme, die in nur ein oder zwei Nächten entstanden seien (3).
Jaroslav Obermajer, Leiter des Mittelböhmischen Büros der Agentur für Natur- und Landschaftsschutz der Tschechischen Republik, kommentiert: „Der Biber weiß immer, wie es am besten geht. Er wählt einen Ort, an dem er einen Damm bauen oder einige Maßnahmen ergreifen wird, immer besser aus, als wenn wir es auf dem Papier entwerfen.“ (3) Bohumil Fišer, Leiter des örtlichen Schutzgebietes, unterstreicht, dass das von den Bibern angelegte Feuchtgebiet schon jetzt größer ist als das, was die Verwaltung geplant hat. (4)
Umgerechnet 1,2 Millionen Euro hätte es die Parkverwaltung gekostet, wenn Bagger statt Biber den Job erledigt hätten, rechnet Fišer aus. Und das Beste: „Sie kümmern sich auch um die Kontrollen, Reparaturen, um die ganze Instandhaltung. Dafür müssten wir sonst für viel Geld eine Firma beauftragen." (4)
Biber sind halbaquatische Nagetiere, die Steine, Schlamm und Holz verwenden, um Bäche aufzustauen. Dadurch entstehen Feuchtgebiete, sogenannte „Biberteiche“, die den Tieren als Nahrungsquelle und als Schutz vor Raubtieren dienen. Biber gelten als Ökosystemingenieure, die kostenlos Umweltdienstleistungen aktivieren, die sonst nicht verfügbar sind.
NRW-Umweltminister Oliver Krischer umreißt Bibers Arbeitsgebiete: „Die Rückkehr des Bibers wirkt der aktuellen Biodiversitätskrise massiv entgegen, da er neue Lebensräume für gewässergebundene Biozönosen (Lebensgemeinschaften) herstellt. Er trägt durch Hochwasser-Rückhaltung zur Klimaanpassung und durch Vernässung von Böden (CO2-Fixierung!) zum natürlichen Klimaschutz bei.“ (5)
Außerdem zeigt der Biber, „wie langweilig und eintönig unsere Natur doch eigentlich ist, verglichen mit dem Artenreichtum einer von Bibern mitgestalteten Landschaft.“ (6)
In der Tschechischen Republik teilen sich statistisch gesehen 733 Einwohner und Einwohnerinnen einen Biber. (7) In NRW sind es 9.075 Menschen, die mit einem Biber auskommen müssen. (6)
Noch ist nicht bekannt, ob Biber auch Braunkohlelöcher absichern oder Stromkabel verlegen können…
Verweise
1. Wikipedia. Brdská vrchovina. [Online] 5. Januar 2025. https://de.wikipedia.org/wiki/Brdsk%C3%A1_vrchovina
2. Radio Prague International. Brdy-Gebirge: Naturschutz löst Militärmanöver ab. [Online] 19. Oktober 2015. https://deutsch.radio.cz/brdy-gebirge-naturschutz-loest-militaermanoever-ab-8245015
3. ČT24. Bobr v Brdech vytvořil mokřad. Ušetřil státu miliony. [Online] 30. Januar 2025. https://ct24.ceskatelevize.cz/clanek/regiony/bobr-v-brdech-vytvoril-mokrad-usetril-statu-miliony-357585
4. Marianne Allweiss und Thomas Kirschner. Biber statt Bagger. [Online] 7. Februar 2025. https://www.tagesschau.de/ausland/europa/biber-staudamm-tschechien-100.html
5. Oliver Krischer. Vorlage 18/2657 - Bibermanagement NRW. Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen. [Online] 13. Juni 2024. https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV18-2657.pdf
6. BUND NRW. Die Verbreitung des Bibers in NRW. [Online] [Zitat vom: 8. Januar 2025.] https://www.bund-nrw.de/themen/biber/verbreitung-in-nrw/
7. Czesi czekali na pozwolenie. Bobry zbudowały tamę w dwa dni. Zaoszczędzono miliony. money.pl. [Online] 1. Februar 2025. https://www.money.pl/gospodarka/czesi-czekali-na-pozwolenie-bobry-zbudowaly-tame-w-jedna-noc-zaoszczedzono-miliony-7120553386728256a.html